• Ab dem am 29. Januar 2014

    Nationale Dichter und Dichterinnen

    Seit dem 29. Januar 2014 hat Belgien einen Nationaldichter bzw. eine Nationaldichterin. Das Projekt „Nationaler Dichter“ ist eine Initiative des Poëziecentrum (Gent), der Maison de la Poésie et de la Langue française (Namur) und VONK & Zonen (Antwerpen) in Zusammenarbeit mit Passa Porta (Brüssel), der Maison de la Poésie (Amay), dem fiEstival maelstrÖm (Brüssel) und den Midis de la Poésie (Brüssel). Es soll den literarischen Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften fördern.

    Der Nationaldichter bzw. die Nationaldichterin wird für einen Zeitraum von zwei Jahren berufen und schreibt mindestens sechs Gedichte pro Jahr zu verschiedenen, für Belgien relevanten Themen. Alle Gedichte werden vom Übersetzerkollektiv des Brüsseler Literaturhauses Passa Porta in die jeweils anderen zwei Landessprachen übersetzt.

    Der Ehrentitel wurde 2014 dem niederländischsprachigen Dichter Charles Ducal verliehen und zwei Jahre später der französischsprachigen Dichterin Laurence Vielle. Am Tag der Poesie 2018 wurde dann die niederländischsprachige Dichterin Els Moors zur Nationaldichterin gekürt, 2020 der französischsprachige Dichter Carl Norac, 2022 der niederländischsprachige Dichter Mustafa Kör. Alle zwei Jahre wird ein Dichter bzw. eine Dichterin aus einer anderen Sprachgemeinschaft ernannt.

12 Gedichte

Der Nationaldichter bzw. die Nationaldichterin schreibt in den zwei Jahren seiner bzw. ihrer Amtszeit jährlich mindestens sechs Gedichte zu Themen, die für unser Land relevant sind.

Austauschprogramm

Das Projekt dient dem literarischen Austausch zwischen den drei Sprachgemeinschaften.

Ehrentitel

Der Ehrentitel wird alle zwei Jahre einem Dichter bzw. einer Dichterin aus einer anderen Sprachgemeinschaft verliehen. Bisher waren Charles Ducal, Laurence Vielle, Els Moors, Carl Norac und jetzt auch Mustafa Kör Nationaldichter von Belgien.

Übersetzerkollektiv

Alle Gedichte werden von einem Übersetzerkollektiv in die jeweils anderen zwei Landessprachen übersetzt.

Nationaldichter und -dichterinnen- ein historischer Überblick

Von Horaz bis Emile Verhaeren

Das Amt des Nationaldichters gab es schon bei den Römern: Damals erhielten Dichter als Ausdruck der Wertschätzung ihres Werks den Titel des „Poeta laureatus“ und wurden mit einem Apollo geweihten Lorbeerkranz, der Dichterkrone, gekrönt, so beispielsweise Horaz (17 v. Chr.).

 

Im angelsächsischen Raum kennt man bereits seit einigen Jahrhunderten das Konzept des „Poet laureate“. In Großbritannien gehörten Minnesänger oder Barden zum Gefolge des Königs, die dessen Taten besangen. 1616 wurde dieser Titel erstmals verliehen; König James I. ernannte damals Ben Jonson. 1668 erhielt das Laureateship offiziellen königlichen Status, als der Titel Dryden übertragen wurde. Bis 1999 wurde der Poet Laureate auf Lebenszeit angestellt, danach für zehn Jahre. In England schreibt der Laureate Gedichte für den Hof und bei nationalen Ereignissen. Beim Tod eines Poet Laureate ist es Aufgabe des Premierministers, mögliche Nachfolger zu nominieren, aus denen der herrschende Monarch seine Wahl trifft. Nach dem Tod von Ted Hughes im Jahre 1998 – er bekleidete dieses Amt vierzehn Jahre lang – wurde 1999 Andrew Motion zu seinem Nachfolger berufen. Motion verfasste unter anderem Gedichte anlässlich der Anschläge vom 11. September und des Todes der Queen Mum sowie ein Gedicht gegen den Irakkrieg. Seit 2019 ist Simon Armitage amtierender Poet Laureate.

 

Seit 1937 haben auch die USA einen Poet Laureate. Dieser wird durch den Leiter der Bibliothek des Kongresses der Vereinigten Staaten für einen Zeitraum von acht Monaten berufen. Der Poet Laureate ist in den USA gleichzeitig Lyrikberater für die Bibliothek des Kongresses. Seine Aufgabe ist, einem größeren Publikum gute Lyrik nahezubringen. Die Bibliothek beschränkt die spezifischen Aufgaben des Poet Laureate auf ein Minimum. Neuen Poet Laureates steht es frei, eigene Projekte zu entwickeln. Jeder Poet Laureate legt das Laureateship individuell unterschiedlich aus. Der eine stellt eine Anthologie zusammen, die andere schreibt Kolumnen über Poesie, wieder ein anderer organisiert Poesieprogramme, hält Vorträge an Schulen oder Universitäten oder arbeitet an der Förderung von Poesie über das Internet. Joseph Brodsky, der 1991 und 1992 der amerikanische Poet Laureate war, setzte sich zum Ziel, Poesie in öffentlichen Räumen wie Supermärkten, Hotels, Flughäfen und Krankenhäusern anzubieten. Mittlerweile hat jeder Bundesstaat in den USA einen eigenen Poet Laureate.

 

Seit 2000 haben auch die Niederlande einen Nationaldichter. Erster Nationaldichter war Gerrit Komrij. Seine Nachfolger waren Simon Vinkenoog, Driek Van Wissen und Ramsey Nasr. Durch die Art und Weise, wie Ramsey Nasr seine Arbeit unter dem Ehrentitel Nationaler Dichter gestaltete, hat das Projekt in den Niederlanden erheblich an Bedeutung gewonnen. Seit dem Tag der Poesie (Gedichtendag) 2021 ist Lieke Marsman Nationaldichterin.

 

Es ist zwar nur wenigen bekannt, aber auch Belgien hatte einmal einen Nationaldichter: 1899 wurde der französischsprachige flämische Dichter Emile Verhaeren von König Albert I. zum „poète national“ ernannt. Der damals fünfzigjährige Dichter befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er war eine der Galionsfiguren einer neuen Generation von Schriftstellern. Seine Sammelbände wurden in die meisten europäischen Sprachen übersetzt, und er hielt in ganz Europa und sogar in Sankt Petersburg und Moskau Vorträge. Verhaerens erster Nachfolger wurde 2014 Charles Ducal. Er erhielt den Ehrentitel auf Initiative der zwei wichtigsten Poesiezentren Belgiens und der literarischen Organisation VONK & Zonen.

 

Q&A

Wer sind die Initiatoren des Projekts ‘Nationaler Dichter’ in Belgien ?

Das Projekt „Nationaler Dichter“ ist eine literarische Initiative des Poëziecentrum (Gent), La Maison de la Poésie et de la Langue française (Namen) und der neuen literarischen Organisation VONK & Zonen (Antwerpen) in Zusammenarbeit mit Passa Porta (Brüssel).

Welches Ziel verfolgt das Projekt ?

Der „Nationale Dichter“ ist ein literarisches Austauschprogramm, das zum Ziel hat, eine Brücke zwischen den drei Sprachgemeinschaften zu bauen. Es ermöglicht jeder der drei Sprachgemeinschaften, die Dichter und Dichterinnen der jeweils anderen Sprachgemeinschaften kennenzulernen. Der nationale Dichter bzw. die nationale Dichterin wird für zwei Jahre berufen und schreibt jährlich mindestens sechs Gedichte zu verschiedenen Themen, die unser Land betreffen. Der Ehrentitel, der 2014 einem niederländischsprachigen Dichter verliehen wurde, wurde nach zwei Jahren einer französischsprachigen Dichterin übergeben. Alle zwei Jahre wird ein Dichter oder eine Dichterin aus einer anderen Sprachgemeinschaft berufen. Das Projekt hat auch eine soziologische Funktion: Es untersucht die Rolle der Poesie im gesellschaftlichen Diskurs.

Is der ‘Nationaler Dichter’ ein politisches Projekt ?

Nein. Der „Nationaler Dichter“ ist ein landesweites Literaturprojekt, das aus Respekt vor und Interesse an Poesie aus den drei Sprachgemeinschaften Belgiens entstanden ist. Es ist ein Projekt, das sich im Geiste eines neuen kulturellen Kooperationsvertrags zwischen der flämischen und der französischen Gemeinschaft über Sprachgrenzen hinwegsetzt und den literarisch-kulturellen Austausch zwischen den drei Sprachgemeinschaften zum Ziel hat.