Die Abschiedsworte von Els Moors als Nationale Dichterin

Die berühmten Verse „Lasst hier mich weinen, in Erinnerung an die geliebte Person, hier bei den verwehten Sanddünen zwischen Haumal und Aldachul“ stammen von dem arabischen Dichter und Prinzen Imru’ al-Qais. Imru’ al178 Qais starb 540 n. Chr. Sein kurzes Leben als Prinz war von der Zerrissenheit zwischen der Dichtkunst und der Politik gekennzeichnet. Arabische Dichter genossen aber auch dann hohes Ansehen, wenn sie nicht als Prinzen in der Wüste geboren worden waren, und selbst der König wandte sich um Rat an sie. Ihren Ruf verdankten sie endlosem Rezitieren am nächtlichen Lagerfeuer. Von jeher galt die Poesie als Archiv der Moral, der Sitten, der Sprache und der Geschichte der Gemeinschaft.*3  Das zweijährige Amt des Nationalen Dichters verlangt von dem oder der Auserkorenen natürlich nicht, dass er oder sie dem König und den Politikern Ratschläge erteilt. In einem Land, in dem seit Jahrzehnten immer wieder Krisen zwischen den verschiedenen Sprachgemeinschaften ausgelöst werden, um andere Missstände zu vertuschen, hat ein Nationaler Dichter im Gegensatz zu den Politikern keine Sekunde zu verlieren.

Ganz nach den Regeln der poetischen Kunst ist das Projekt „Nationaler Dichter“ gerade aus dem Wunsch verschiedener Literaturhäuser entstanden, ganz ohne Unterschiede zu verbinden, was Geld und Machtgier nur allzu gerne trennen möchten. Nach den Anschlägen in Zaventem und Maalbeek erwachte ganz Brüssel, aber auch Belgien und Europa und sogar die ganze Welt, für einen Moment sprachlos und staatenlos. Es galt, gegen sämtliche trennende und dominierende Kräfte aufzutreten, die nach wie vor den breit organisierten Diebstahl legitimieren, den wir in Ermangelung an Alternativen „Kapitalismus“ und „Zivilisation“ nennen. Es mussten Mauern niedergerissen und Worte des Trostes und der Liebe gefunden werden; Worte, die jeder verstehen konnte. Kalimafiesta, das erste Festival der arabischen Poesie in Brüssel, setzt diesen Prozess des Niederreißens von Mauern zwischen den Gemeinschaften fort und untermauert mit vereinten Kräften die neue Welt, in der wir jeden Tag mit neuen Gedichten aufwachen. Kalimafiesta zieht im Namen des Nationalen Dichters – mittlerweile auch mit Unterstützung zahlreicher Brüsseler Partner – auf die Straßen, über die Mauern aller einzelnen Institutionen hinweg. Die Poesie ist immer wehrlos, mit leeren Händen. Hat sie aber einmal ein wohlwollendes Ohr gefunden, stärkt sie dieses bis zum Ende der Zeit. Die Poesie wird das Ewige, das in jedem von uns auf Worte wartet, willkommen heißen und ihm überall auf der Welt, in jeder Sprache, ein Zuhause schenken.

 

*3: S.19 De vorsten van het woord. Teksten over Dichterschap en poëzie uit Oosterse tradities. Studies en vertalingen. Onder redactie van W.L.Idema Bijdrage van G.J.H. Van Gelder. „Nomadische heroïek en steedse retoriek: kunst en kunstmatigheid in de Arabische poëzie.“

 

Übersetzung: Susan Mahmody

Met dank aan de Nationale Loterij en haar Spelers
Met de steun van het Cultureel Samenwerkingsakkoord tussen de Franse en De Vlaamse Gemeenschap.